"Ein guter Krimi bringt mir etwas über mich selbst bei"
Interview mit Stefanie Stappenbeck als Kriminalhauptkommissarin Linett Wachow
"Ein starkes Team" ist eine der erfolgreichsten Samstagabend-Krimireihen im ZDF. Was macht für Sie den Reiz des Formats aus?
"Ein starkes Team" spielt in meiner Heimatstadt
Berlin und war viele Jahre der einzige Berlin-Krimi, den es gab. Ich
fand es schon immer toll, wie die tausend verschiedenen Seiten und
Facetten der Stadt im "starken Team" gespiegelt und verarbeitet werden.
Ein Teil davon sein zu dürfen, macht mich stolz.
Was war Ihr erster Gedanke, als Sie die Rolle der Linett Wachow angeboten bekamen?
Ich habe mich sehr geehrt gefühlt, als man mit der Anfrage auf mich zukam.
Inwiefern haben Sie sich in die Entwicklung der Figur Linett Wachow einbringen können? Was ist Ihnen bei der Anlage der Rolle wichtig?
Das Drehbuch für "Knastelse" war schon so gut wie
fertig, als ich dazu kam. Und ich fand die Arbeit von Axel Hildebrandt
von Anfang an sehr sehr gut. Ein spannender Fall mit vielen tollen
Frauenfiguren und einer ungewöhnlichen und unperfekten Kommissarin, da
hatte ich gar nicht viel hinzuzufügen, sondern freute mich einfach aufs
Drauflosspielen.
Sie sind auf ein bestehendes Team getroffen, das seit vielen Jahren zusammenarbeitet. Mit welchen Gefühlen sind Sie im August 2015 in den ersten Drehtag gegangen und wie wurden Sie aufgenommen?
Ich weiß noch genau, wie ich am ersten Drehtag aus
dem Auto sprang und es nur eine halbe Stunde dauerte, bis ich das Gefühl
hatte: Hier darf ich zuhause sein! Das ganze Team war herzlich,
neugierig und liebevoll. Meine erste Szene hatte ich mit Kai Lentrodt,
und es hat sofort gefunkt und fühlte sich an, als drehten wir schon
lange Zeit zusammen. Einen Tage später traf ich auch Florian Martens und
Arnfried Lerche: Es war und ist mir das größte Vergnügen, mit ihnen
spielen zu dürfen! Auch nach so vielen Filmen ist jeder hochkonzentriert
und mit viel Spaß bei der Sache.
Welche Szenen oder auch Geschichten während der Dreharbeiten der beiden bisher gedrehten Folgen sind Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben?
Es war ein sehr berührender Moment für uns alle, als
uns mitten im Dreh ein ganz besonderer Gruß von Maja Maranow aus
Hamburg erreichte: Sie schickte uns einen Berliner Currywurstwagen ans
Set und spendierte Pommes, Salat, Currywurst und Bier für alle! Wir
saßen lange beisammen und sprachen über diese tolle Frau und
Schauspielerin. Ich kann immer noch nicht fassen, dass sie nicht mehr
unter uns ist. Es ist ein so schrecklicher und großer Verlust.
In "Knastelse" geht es darum, dass Gefängnisinsassen mit Frauen jenseits der Gefängnismauern verkuppelt werden. Was bringt Ihrer Meinung nach Frauen dazu, sich an Strafgefangene zu binden, die sie kaum kennen und mit denen sich eine Beziehung im Alltag womöglich niemals leben lässt?
Auf Menschen, die in Gefangenschaft sind, kann man
sehr gut seine Wünsche und Vorstellungen projizieren, ohne Gefahr zu
laufen, sie jemals Wirklichkeit werden lassen zu müssen. Es ist auch
sicher ein Reiz, einen gefährlichen, da verbrecherischen Mann so
scheinbar domestiziert und hilfsbedürftig zu erleben. Das gibt einem
labilen Gegenüber das Gefühl von Stärke und Kontrolle, das im normalen
Leben nicht existiert. So stelle ich mir das jedenfalls vor.
Krimis stehen bei Zuschauern derzeit hoch im Kurs. Was macht für Sie einen guten Krimi aus?
Ein guter Krimi bringt mir etwas über mich selbst
bei, meine dunklen Seiten, meine heldenhaften Seiten, die Nöte und
Versuchungen, denen wir begegnen. Er kann mir Abgründe zeigen und mich
Dinge lehren, ohne dass ich selbst dafür zur Verbrecherin oder zum Opfer
werden muss. Ein guter Krimi entführt mich auf unbekanntes oder nur
allzu gut bekanntes Terrain, hält mich in atemloser Spannung und
überrascht mich.
Die Fragen stellten Gudrun Schulz und Maike Magdanz
Text: ZDF